Hannovers evangelischer Stadtsuperintendent Hans-Martin Heinemann sagte als Mitglied des Beirats: Marahrens habe die NS-Rassenpolitik hingenommen. Er habe seine Stimme nicht gegen die Verfolgung und Vernichtung der Juden erhoben, obwohl er dies als Bischof hätte tun können, sagte Heinemann dem epd. Auch nach dem Ende des NS-Staates habe sich Marahrens nicht wirklich von der Judenverfolgung distanziert. "Das hat etwas Beschämendes und Erschreckendes."
Laut Heinemann war im "Dritten Reich" für jedermann sichtbar, dass Synagogen brannten und Juden entrechtet wurden. "Dass Marahrens dazu geschwiegen hat und dieses Schweigen auch noch korrekt fand, ist die Kritik an ihm." Der Bischof habe damit eine Linie des konservativen Luthertums repräsentiert, die Politik allein als Sache des Staates betrachtete, aus der sich die Kirche herauszuhalten habe. Die evangelische Kirche habe sich nach dem Krieg aus guten Gründen von dieser Linie verabschiedet und Marahrens 1947 den Amtsverzicht nahegelegt.
Die Anwohner-Initiative aus dem Marahrensweg hält eine Umbenennung dagegen für überzogen. "Marahrens ist kein Held gewesen, und er hat sich nicht mit Ruhm bekleckert", räumte ihr Sprecher Christian Stichternath ein. Doch dem Ex-Bischof seien keine schwerwiegenden persönlichen Verfehlungen anzulasten, und er sei auch nicht Mitglied der NSDAP gewesen. "Er hat auf seine Weise versucht, die Kirche zusammenzuhalten." Marahrens sei eine Person "mit Ecken und Kanten" gewesen, deren Handeln sich aus der Zeit heraus erkläre. "Ihn jetzt auf das Niveau von Verbrechern zu stellen, finde ich fatal", betonte der studierte Historiker.
Die Anwohner-Initiative hat etwa 70 Unterstützerinnen und Unterstützer. Ein solcher historisch gewachsener Straßenname dürfe nicht einfach aus Hannovers Stadtkarte getilgt werden, betonte Stichternath. Andere Straßennamen erinnerten an weitaus schlimmere Persönlichkeiten, etwa an den Kriegsherrn Albrecht von Wallenstein (1583-1634), ohne dass jemand ein Problem damit habe.
August Marahrens (1875-1950) war von 1925 bis 1947 Landesbischof der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers. Nach der Trennung von Staat und Kirche und der Einführung des Bischofstitels in der hannoverschen Landeskirche war er dort der erste Amtsträger, der diesen Titel führte. Zugleich war er ab 1928 Abt des Klosters Loccum bei Nienburg.
Umstritten ist vor allem die Rolle des der konservative Theologen während der Zeit des Nationalsozialismus. Historiker beschreiben seine Haltung als ambivalent: Auf der einen Seite habe der Bischof sich schützend vor die Pastoren gestellt und die Interessen der Kirche gegenüber dem Staat bewahrt. Auf der anderen Seite habe er Zugeständnisse an den NS-Staat gemacht und zum Gebet für Hitler aufgerufen. Allerdings war Marahrens kein Mitglied der NSDAP.
Zu Beginn der NS-Zeit lehnte Marahrens die Nazi-treuen "Deutschen Christen" (DC) ab und stellte sich auf die Seite der "Bekennenden Kirche". Die Nazis betrachteten ihn deswegen als Gegner. Marahrens wurde bespitzelt und hatte in einigen deutschen Ländern Predigtverbot. In der hannoverschen Landeskirche gelang es ihm, den Einfluss der DC entscheidend zurückzudrängen, erläutert der Kirchenhistoriker Hans Otte.
Auf der anderen Seite bekannte sich Marahrens nahezu vorbehaltlos zum Staat: 1941 unterzeichnete er mit anderen ein Votum, nach dem Christen jüdischer Herkunft nicht mehr am Gemeindeleben beteiligt werden sollten. Zeitgleich war vom Staat verordnet worden, dass Juden einen gelben Stern an der Kleidung tragen mussten.
1943 verweigerte er einer kirchlichen Protestnote gegen die Judenverfolgung die Unterschrift. Die "Rassenpolitik" war für ihn eine staatliche Angelegenheit. Nach dem Attentat auf Hitler vom 20. Juli 1944 dankte Marahrens in einem Telegramm für die "gnädige Bewahrung des Führers" und unterzeichnete ein entsprechendes Fürbittgebet. Die Briten und kirchliche Vertreter drängten ihn 1947 zum Rücktritt vom Bischofsamt.