Köln (epd). Der Betroffenenvertreter Detlev Zander erwartet von der Studie zu Missbrauchsfällen im Raum der evangelischen Kirche nur ein lückenhaftes Bild. Es seien lediglich Zahlen nach Aktenlage ermittelt worden, sagte Zander am Donnerstag im Deutschlandfunk und kritisierte damit, dass die Forscher nicht in allen 20 Landeskirchen Zugriff auf alle Personalakten gehabt hätten. Somit werde lediglich die "Spitze des Eisbergs" sichtbar. Die Studie soll am Donnerstag in Hannover vorgestellt werden.
Zander erwartet ein "Beben in der evangelischen Kirche". Die Illusion, dass es Fälle sexualisierter Gewalt in großem Ausmaß nur in der katholischen Kirche gegeben habe, sei "ab dem heutigen Tag nicht mehr zu halten", sagte der Betroffenenvertreter, der dem Beteiligungsforum Sexualisierte Gewalt (BeFo) in der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) angehört.
Ein unabhängiges Forscherteam stellt am Mittag die erste übergreifende Studie zu sexuellem Missbrauch an Kindern und Jugendlichen in der evangelischen Kirche vor. Sie soll erstmals Berechnungen zu bundesweiten Fallzahlen enthalten sowie Analysen über strukturelle Ursachen von sexualisierter Gewalt in der Kirche und der Diakonie seit Ende des Zweiten Weltkriegs.
Die EKD hatte das Forschungsprojekt 2020 in Auftrag gegeben. Ein EKD-Sprecher erklärte, dass sich die Bereitstellung von Daten mittels Fragebögen schwieriger als ursprünglich angenommen erwiesen habe. Das habe in der weiteren Folge zu Verzögerungen geführt, sodass Forscher auf Basis "umfangreicher Gespräche und Nacherhebungen in den Landeskirchen" vorgeschlagen hätten, für den letzten Arbeitsschritt in einem der Teilprojekte einen Fokus auf Disziplinarakten zu legen.