Hannover (epd). Das Aufdecken von sexuellem Missbrauch in der evangelischen Kirche und der Diakonie war für Betroffene nach Erkenntnissen von Forschern äußerst schwierig. In den kirchlichen Einrichtungen habe es keine "günstigen Bedingungen" zur Aufdeckung von sexualisierter Gewalt gegeben, sagte der Psychologe Peter Caspari am Freitag beim Fachtag des Forschungsverbunds zu sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche in Hannover.
Am Donnerstag hatte der interdisziplinäre Forschungsverbund ForuM seine Studie über Missbrauch an Kindern und Jugendlichen in der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und der Diakonie vorgelegt. Seit 2020 hatten die Forscher von acht deutschen Universitäten und Instituten Ergebnisse gesammelt über die Häufigkeit von Missbrauch, seine Ursachen und den Umgang mit Betroffenen. Die Forscher rund um den Studienleiter Martin Wazlawik fanden mindestens 2.225 Betroffene und 1.259 mutmaßliche Täter.
Betroffene hätten häufig jahrzehntelang über den Missbrauch geschwiegen, hieß es. Wenn sie sich bereits im Kindes- und Jugendalter nach der Tat anvertrauen wollten, reagierte das Umfeld den Erkenntnissen zufolge meist negativ. Die Folge sei ein Rückzug gewesen, erläuterte Caspari. Das Institut für Praxisforschung und Projektberatung München, für das Caspari arbeitet, hatte das Teilprojekt C der ForuM-Studie geleitet, in dem es um die Perspektiven von Betroffenen ging.
Wollten Betroffene den Missbrauch in der Kirche öffentlich machen, stießen sie in der Institution demnach oft auf Ablehnung. Grund dafür ist laut Caspari eine "behauptete Atmosphäre von Geborgenheit und Sicherheit", zu der die Taten im Konflikt standen. Die Forscher machten zudem ein "verwirrendes Sexualitätsverständnis" in der evangelischen Kirche aus. Es sei offenbar nicht klar, was in Ordnung sei und was nicht, sagte Caspari. Betroffene hätten in der Folge fast nie Unterstützung bei der Bewältigung des Missbrauchs erfahren.